Im Obstbaumschnitt-Kurs

Ich hab unsere Obstbäume in den letzten Jahren immer wieder einmal zaghaft geschnitten. Aber besonders die alten Exemplare benötigen nun dringend einmal einen halbwegs professionellen Baumschnitt. Obwohl ich zwei Bücher zum Thema gelesen habe, war ich immer extrem unsicher, dabei nicht mehr Schaden als Nutzen anzurichten. Grau ist alle Theorie. Und so hab ich letzten Freitag einen Arche-Noah Baumschnitt-Kurs beim Klosterbauer in Maria Enzersdorf besucht. Fazit: Sehr empfehlenswert.

Am Vormittag gab’s geballte Theorie – von Johannes Kleedorfer sehr spannend und einprägsam präsentiert. Im Grunde sind sämtliche Schnittmaßnahmen eigentlich total logisch ableitbar, aber es gibt doch sehr viel zu beachten. Und wie wir dann am Nachmittag im Praxisteil erfahren mussten, ist die Entscheidung, welche Äste man aus einem Baum herausnimmt, am lebenden Objekt doch viel schwieriger als im Lehrbuch.

Aber zuerst eine kurze Rekapitulation der Theorie, die ich mir hier zur Erinnerung stichwortartig nochmal zusammenstellen möchte:

Prinzipiell MÜSSEN Obstbäume nicht geschnitten werden, allerdings fördert professioneller, zurückhaltender Schnitt die Baumgesundheit deutlich. Oft sind die obstbaulichen Gründe dafür zweitrangig – es geht auch um Ästhetik und vor allem Ökologie. Je nach Baumalter unterscheidet man folgende Schnitte:

  • Pflanzschnitt – Ausgleich zwischen Wurzel und Krone. Unnötige Triebe werden entfernt, drei bis vier Seitentriebe bilden die Leitäste, die um ca. ein Drittel oberhalb einer nach außen stehenden Knospe gekürzt werden (Saftwaage beachten!). Leittrieb leicht einkürzen, sodass eine Krone in Pyramidenform entsteht.
  • Erziehungsschnitt – Aufbau einer lebensfreundlichen Baumkrone. Jährliche, etwas umfangreichere Wiederholung des Pflanzschnitts. Ziel: stabile Leitäste und Fruchtäste, lichte Krone, Baum in die Breite ziehen.
  • Erhaltungsschnitt – für regelmäßigen Ertrag und gute Fruchtqualität
  • Verjüngungsschnitt – zur Verkleinerung ausladender Kronen

Wichtige Grundvoraussetzung für alle Schnittmaßnahmen ist das korrekte Erkennen der Triebformen:

  • Langtriebe – in erster Linie für das Wachstum
  • Kurztriebe – Fruchtholz! Wird mit den Jahren zum sogenannten „Quirlholz„.

Vom Schnittzeitpunkt ausgehend unterscheidet man:

  • Winterschnitt – ab Ende Jänner bis zum Austrieb. Erziehungsschnitt, Erhaltungsschnitt bei Apfel, Birne, Zwetschke und Pfirsich. Sollte an trockenen, frostfreien Tagen erfolgen, auf die keine sehr tiefen Temperaturen folgen (<-12°C). Sind sehr große Wunden notwendig, so sollte man immer im Sommer schneiden.
  • Sommerschnitt – Mitte Juli bis Mitte August. Erhaltungsschnitt bei Kirsche, Marille und Walnuss, Entfernung großer Äste, Wuchsbremse.

Folgende Schnittarten werden unterschieden:

  • Anschneiden – Kürzung von Trieben direkt oberhalb einer nach außen stehenden Knospe. Der Schnitt erfolgt schräg von der Knospe weg.
  • Ableiten – leitet das Wachstum des zu entfernenden Hauptastes in einen Nebenast. Der Schnitt erfolgt direkt oberhalb der Verzweigung schräg weg vom Nebenast. Der Nebenast sollte mindestens ein Drittel der Stärke des abgeleiteten Asts haben.
  • Wegschneiden – Seitenäste werden direkt nach dem Astring parallel dazu abgeschnitten.

Faustregel: Je mehr beschnitten wird, desto mehr Austrieb!

  • Starker Rückschnitt – für wenige starke Triebe
  • Schwacher Rückschnitt – für viele schwächere Triebe

Die anzustrebende, ideale Baumkrone hat folgende Eigenschaften, wobei natürlich der individuelle Wuchs-Charakter der Obstart und Sorte berücksichtigt werden sollte:

  • Pyramidenform – oben schmal, unten breit für optimale Sonneneinstrahlung.
  • Drei bis vier gleichmäßig verteilte Leitäste in einem Winkel von rund 45 Grad rund um die Stammverlängerung.
  • Bei Entfernung des Mitteltriebs entsteht eine Hohlkrone, bei der noch mehr Sonne an die Früchte kommt (oft bei Pfirsichbäumen).

Für mich im Moment am relevantesten sind Erziehungs- und Erhaltungsschnitt. Daher hier noch stichwortartig die Vorgehensweise:

Erziehungsschnitt

  • Entfernung von Stammausschlägen und Langtrieben, die nach innen oder quer über andere wachsen (Kurztriebe immer stehenlassen!).
  • Konkurrenztriebe von Leitästen entfernen.
  • Leittriebe im vorjährigen Zuwachs um ca. ein Viertel kürzen und eventuell formen / ableiten (wiederum Saftwaage beachten).
  • Seitenäste kürzen und Mitteltrieb auslichten.

Erhaltungsschnitt

Alle drei bis fünf Jahre wird dabei die Krone ausgelichtet, bei Bedarf höhenbeschränkt und das Fruchtholz verjüngt.

 

  • Entfernung von Stammausschlägen, Konkurrenztrieben und Ästen, die nach innen oder quer über andere wachsen.
  • Einen Teil des alten Quirlholzes (altes Fruchtholz) entfernen, da dort Jungtriebe entstehen, die Früchte besser versorgen können.
  • Höhenkontrolle und eventuell Formung durch Ableiten.
  • Nach unten geneigte Fruchtäste auf nach oben gerichtete ableiten.

Generell zu beachten ist, dass niemals mehr als ein Drittel des Baummaterials entnommen wird. Umfangreiche Auslichtungen oder Korrekturen sollte man daher bei Bedarf auf mehrere Jahre verteilen.

Alle diese Informationen haben wir dann am Nachmittag versucht, in der Praxis anzuwenden. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und lebhaftem Wind war dies zwar eine reichlich frische Angelegenheit, hat sich aber total gelohnt.  Es hat sich wirklich wieder einmal gezeigt, wie grau jede Theorie ist: Steht man vor einem reich verzweigten Birnenbaum sieht man als Anfänger quasi den Wald vor lauter Bäumen nicht. Sprich – man übersieht im Schnittregel-Dschungel oft das Naheliegende und traut sich auch noch nicht, so richtig beherzt zu schneiden und zu sägen.

Aber das wird sich in den nächsten Wochen hoffentlich ändern. Bei einer Garten-Begehung gestern hab ich mir schon einen Schnittplan zurechtgelegt, den ich in Angriff nehmen werde, sobald es ein bisschen wärmer wird. Am Freitag Nachmittag haben meine Frostbeulen vorerst einmal wieder genug Kälte nachgetankt. Man muss es ja nicht übertreiben. 🙂