Kräuterwanderung mit Georg Schramayr

Zu Beginn der Woche hab ich mir den Luxus gegönnt, einen Tag frei zu nehmen und in Pfaffstätten eine Kräuterwanderung mit Georg Schramayr mitzumachen. Die Veranstaltung wurde vom LFI angeboten und stand unter dem Motto der Schmetterlingsblütler. „Kräuterkollegin“ Monika, die ebenfalls mit dabei war, hat bei Herrn Schramayr bereits vorher einen Kurs besucht und mit dem Urteil „er sei einer der Besten, wenn nicht der Beste“ meine Vorfreude extrem gesteigert. Die Aussage hat sich bewahrheitet – so viel geballtes interessantes Wissen hab ich selten in so kurzer Zeit und so entspanntem Ambiente „eingesogen“.

Nachdem wir am Treffpunkt in Pfaffstätten eine kurze Einführung in die Pflanzenfamilie der Schmetterlingsblütler bekommen haben, sind wir in Richtung der Weinberge aufgebrochen und haben so ziemlich alles, was uns an Pflanzen untergekommen ist (nicht nur Schmetterlingsblütler! 😉 ), bestimmt und analysiert.

Schmetterlingsblütler gehören zur Familie der Fabaceae, den nach der Saubohne (Faba) benannten Hülsenfrüchtlern (auch Leguminosen genannt; legume = Gemüse). Viele bekannte Nutzpflanzen gehören zu dieser Unterfamilie, so z.B. Kichererbsen, Sojabohnen, Linsen und Erbsen. Der Name „Hülsenfrüchtler“ stammt von den gleichnamigen Früchten, die fälschlicherweise oft als „Schoten“ bezeichnet werden. Letztere sind jedoch durch das Vorhandensein einer Mittelwand botanisch leicht von den Hülsen zu unterscheiden.

Fast alle Vertreter dieser Pflanzenfamilie haben paarweise Fiederblätter mit eventuell einem Endblatt oder einer Endranke („unpaarig gefiedert“). So haben wir beispielsweise  gelernt, dass Wicken immer eine Endranke haben und Luzerne-Blätter („Schneckenklee“ aufgrund der schneckenförmigen Frucht) nur bis zur Mitte gezähnt sind und einen hakenförmigen Stiel am Endblatt aufweisen. Beim botanisch korrekt bezeichneten Klee hingegen sind die Blätter durchgehend gezähnt, was die Unterscheidung sehr einfach macht.

Neben der sicheren Bestimmung haben wir jede Menge zusätzliche Informationen über die Pflanzen erhalten. So bilden beispielsweise Luzernen sechs bis acht Meter tiefe Wurzeln aus, die es ihnen ermöglichen, auch schwierige Standorte beinahe ewig zu besiedeln. Alpine Formen der Schmetterlingsblütler sind normalerweise niedrig und breitblättrig ausgeprägt, während die Trockenrasen-Varianten sehr hoch und schmalblättrig werden. Der Grund dafür: Der Boden in den trockenen und heißen Gebieten kann bis zu 65 Grad Celsius heiß werden, wovor sich die Pflanze schützt, indem sie der Hitze quasi davonwächst.

Sehr spannend waren auch kulturgeschichtliche und geologische Hintergrund-Informationen, die uns Georg Schramayr während der Wanderung nähergebracht hat.
Die Platterbse enthält beispielsweise Stoffe, die in Massen genossen den Bewegungsapparat beeinträchtigen. In Indien gab (gibt?) es die Kaste der Kofferträger, die sich vorrangig von dieser genügsamen Pflanze ernährend musste und daher oft am einschlägigen Krankheitsbild – dem „Kofferträger-Gang“ – erkannt werden konnte (siehe auch: Lathyrismus).

Unsere Wanderung hat uns (bei extremer Hitze!) rund sechs Stunden quasi entlang der „Brandungszone“ des erdgeschichtlichen Tethys-Meeres geführt, das im Mesozoikum die Gegend bis zum Leithagebirge bedeckt hatte, welches wir von den Hügeln aus ebenfalls sehen konnten. Die geologischen Auswirkungen hat uns Georg ebenfalls einprägsam vor Augen geführt, wie auch die Folgeerscheinungen in der Flora. Eine schöne Zusammenfassung gibt es hier https://de.wikipedia.org/wiki/Erdgeschichte_Nieder%C3%B6sterreichs und hier https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Becken.

Natürlich haben wir uns nicht nur auf die Schmetterlingsblütler beschränkt, sondern auch jede Menge andere Pflanzen besprochen, die unseren Weg gesäumt haben. Viele der Erklärungen waren dermaßen anschaulich, dass sie einem vermutlich ewig im Gedächtnis haften bleiben – im Gegensatz zum Nachschlagen in einem Bestimmungsbuch, was man oft schon am nächsten Tag wieder vergessen hat.

Daher: Ein riesengroßes Kompliment an Georg Schramayr! Monika hatte schon Recht – er ist der Beste, und ich kann jedem botanisch und kräutertechnisch Intereressierten nur dringend empfehlen, einen seiner Kurse zu besuchen!

Ich werde meine hingekringelten Aufzeichnungen in den kommenden Wochen ein bisschen ordnen und reinschreiben und das eine oder andere Highlight hier wiedergeben. So z.B. die Informationen über die cumarinhältige Steinweichsel, die im Raum Pfaffstätten erstmals kultiviert wurde, über die Sicheldolde und den Kompasslattich und die Herkunft ihres Namens, über Archeo- und Neophyten, das Bermuda-Gras und den C3- und C4-Stoffwechsel, die unzerstörbaren Gehstöcke aus der Prachtkönigskerze uvm.
Jetzt im Rückblick erscheint es mir unglaublich, dass wir das alles in nur sechs Stunden inklusive gemütlicher Picknick-Pause mit königlicher Aussicht über’s Tal untergebracht haben. Fazit: EMPFEHLENSWERT!!!