Faszinierende Pflanzenwelt

Seit ich mich nach Erwerb unseres Gartens wieder intensiver mit Gartenbau und Pflanzen im Allgemeinen beschäftige, sind laufend Fragen aufgetaucht, die mich fasziniert und intensiv beschäftigt haben. Wie nehmen Pflanzen ihre Umwelt wahr? Ohne Zweifel tun sie dies, wenn man bedenkt, auf wieviele äußere Umstände und Eindrücke sie reagieren. Sei es mit der wohldosierten Produktion von Abwehrstoffen gegen (bestimmte) Insekten, wobei sich sogar benachbarte Pflanzen vor einem akuten Fressangriff warnen können. Sei es mit der lichtabhängigen Aktivierung sogenannter Motorzellen, wodurch sich z.B. Sonnenblumen in Richtung der Sonne neigen.

So weit, so interessant. Und was finde ich letzte Woche in der Kottingbrunner Gemeindebücherei? Ein Buch, das mir Antworten auf viele dieser Fragen gegeben hat!

In „Das geheime Bewusstsein der Pflanzen, Botschaften aus einer unbekannten Welt“ beschreibt Joseph Scheppach viele neuere Erkenntnisse der Wissenschaft, die ohne Zweifel nahelegen, dass Pflanzen über eine Art Intelligenz mit hochentwickeltem Nerven- und Kommunikationssystem verfügen, das einfach etwas langsamer funkioniert als das tierische oder menschliche.

Für unsere Ohren sind Pflanzen stumm, aber wenn man bedenkt, mit welcher unglaublichen Anzahl an (Duft-)Molekülen sie untereinander und sogar mit Tieren kommunizieren, dann kann man sich bildlich vorstellen, welche „Geräuschkulisse“ da im Garten laufend herrscht. Viele Pflanzen können Botenstoffe in so geringen Konzentrationen wahrnehmen, dass unsere Messgeräte längst versagen. Und sogar als „Wetterpropheten“ machen sie sich gut: Tomaten spüren nahende Tiefdruck-Fronten etliche Tage im Voraus und verstärken nachweislich ihre Außenhaut zum Schutz.

Viele dieser Erkenntnisse konnten mit der konventionellen Botanik nicht mehr erklärt werden, weshalb 2005 eine neue Disziplin begründet wurde: die (nicht unumstrittene) Pflanzenneurobiologie.

Man hat nachgewiesen, dass Pflanzen fast alle aus der Fauna bekannten Neurotransmitter benutzen. Mikroskopisch kleine Bläschen in den Zellmembranen leiten elektrische Signale nach einigen Sekunden weiter, und auch mittels Botenstoffen herrscht eine rege Kommunikation zwischen den Zellen. Schon Darwin verglich mit seiner Gehirnmetapher die Wurzeln der Pflanzen mit den Gehirnen einfacher Tiere:

„…the tip of the root acts like the brain of one of the lower animals, the brain being seated within the anterior end of the body receiving impressions from the sense organs and directing the several movements.“

Wenn man bedenkt, dass Wurzeln Signale unterscheiden und beurteilen können, dies sogar in simultanem „Multitasking“, und beispielsweise durch geändertes Wachstum darauf reagieren können, dann erscheint dieser Vergleich absolut plausibel.

Joseph Scheppach beschreibt in dem Buch extrem detailliert, wie Kommunikation auf Zellebene funktioniert, wie Photosynthese biochemisch abläuft und u.a. welche Versuche unternommen wurden, um eine primitive Intelligenz zellularen Materials nachzuweisen.
Besonders bemerkenswert hab ich die „Gedächtnisversuche“ mit der Ackerschmalwand gefunden, einer Pflanze, deren sehr überschaubares Genom bereits im Jahr 2000 vollständig sequenziert wurde. Die Pflanzen wurden mit hohen UV-Licht-Dosen und Flagellin-Gaben traktiert, worauf sie mit erhöhter Altivität einzelner Gene, nicht jedoch mit Veränderungen des Erbguts reagierten. Und trotzdem: Das umweltbedingt veränderte Verhalten hat sich über Planzengenerationen hinweg übertragen, wobei festgestellt wurde, das es genügt, wenn ein Elternteil die Erinnerung an den Umweltstress in sich trägt, um das „Wissen“ darum an die Nachkommen weiterzugeben! Stichwort: Epigenetik.

Verdammt! Das Buch war so interessant, dass ich mir beinahe zwei Nächte um die Ohren schlagen musste. Und als „Bookoholic“ werd ich wohl nicht drum herum kommen, mir nach Ende der Ausleihfrist selber ein Exemplar davon zu kaufen.

Ich kann es einschlägig Interessierten wirklich nur wärmstens empfehlen. Zumindest ich hab dadurch einen völlig neuen Blick auf – nicht nur pflanzliches – Leben bekommen. Und Lust darauf, noch viel mehr zu erfahren. Tief in mir keimt der Gedanke, ein einschlägiges Studium zu beginnen. So muss ich also nur mehr einen Weg finden, dies mit meiner beruflichen Selbständigkeit und den zahlreichen anderen Tätigkeiten und Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen. 😉

Als kurzfristigen Ersatz zum „Schnuppern“ hab ich auf Coursera folgenden Kurs gefunden und natürlich sofort belegt:
What a Plant Knows

Coursera kann ich im Übrigen generell empfehlen. Es gibt Kurse zu wirklich allen erdenklichen Themengebieten, die Teilnahme ist kostenlos, wenn man kein Abschlusszeugnis anstrebt, und die meisten Angebote sind sogar in mehreren Sprachen verfügbar.

Auf jeden Fall werde ich mit den genannten pflanzlichen Verhaltensweisen und neurobiologischen Erkenntnissen selber Experimente starten und beizeiten hier davon berichten.