Eine bewegte Geschichte – Peter Ritter von Bohr

Ich hab die Feiertage genutzt um endlich einmal die zahlreichen Unterlagen und Urkunden durchzuschmökern, die ich über unser mehr als 150 Jahre altes Haus gefunden und bekommen habe. Es hat eine wahrlich bewegte Geschichte hinter sich.

Erzählenswert ist beispielsweise die Episode von Peter Ritter von Bohr, der (angeblich im damals noch zusammengehörenden Gebäude der benachbarten Schulgasse 42) in Kottingbrunn im großen Stil Geldscheine gefälscht hat.

1773 in Luxemburg geboren kam er mit 17 Jahren nach Paris, wo er aufgrund seines großen künstlerischen Talents diverse Kunstakademien besuchte. In dieser Zeit begann die französische Revolution. Die Zöglinge der Kunstschulen bildeten damals ein eigenes Künstlerkorps, in das auch Peter von Bohr eintrat. Nach dem Rheinübergang des französischen Eroberungsfeldzugs 1795 quittierte er den Dienst und wollte nach Wien um dort Landsleute und Verwandte zu finden.

Über Linz, wo er heiratete und ein kleines Vermögen mit Handel aus alten Armeebeständen verdiente, kam er schließlich 1814 mit seiner Frau und den fünf Kindern nach Wien. Dort verstarb seine Frau im Jahr 1818, worauf er 1819 das Gut Kottingbrunn erwarb, wo seine Söhne 1820 eine Bleiröhren- und Plattenfabrik gründeten – auf unserem jetzigen Anwesen und dem dazugehörigen Fabrikskomplex nebenan. 1821 heiratete er wieder – die 27-jährige Gräfin Mathilde von Christallnik, eine der schönsten und vornehmsten Damen des Reiches.

In den darauffolgenden Jahren beteiligte er sich intensiv an industriellen, wirtschaftlichen und auch gemeinnützigen Unternehmungen. Seiner Zeit um Jahrzehnte voraus wurde der Wert seines Schaffens jedoch oft nicht erkannt und der wirschaftliche Erfolg war meist sehr gering. So war er beispielsweise an der Gründung der „Ersten Österreichischen Sparcassa“, des Polytechnikums und der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft beteiligt und hat eine Guillochier-Maschine erfunden .

Nach etlichen finanziellen Fehlschlägen und gesundheitlich durch grauen Star schwer angeschlagen musste er im Jahr 1839 Konkurs anmelden. Er selber hatte kein Problem damit, sich einzuschränken und in bescheidenerem Rahmen zu leben. Da er jedoch seiner Frau das gewohnte Leben in Luxus nicht mehr bieten konnte, entschloss er sich, seine künstlerischen und technischen Fähigkeiten zur Fälschung von Banknoten zu einzusetzen.

1845 wurden bei einer Revision in der Nationalbank gefälschte 10- und 100-Gulden-Noten entdeckt – alle so gut gemacht, dass nur die besten Fachleute sie als Fälschungen enttarnen konnten. Nach mühevollen Ermittlungen kam Kriminalkommissar von Felsenthal nicht umhin, auch Peter von Bohr als passionierten Künstler mit dem nötigen technischen Wissen und Geschick in den Kreis der Verdächtigen aufzunehmen. Nach einer Hausdurchsuchung war klar, dass er für die Fälschungen verantwortlich war. Er nahm alle Schuld auf sich um seine Frau zu entlasten, die gestanden hatte, von den Fälschungen gewusst zu haben. Trotz seiner schweren Sehbehinderung hatte er es durch die Kombination mehrerer Linsen geschafft, sich entsprechende Hilfsmittel zu bauen, die es ihm ermöglichten, die exakte Arbeit alleine auszuführen. Dies musste er dem Kriminalgericht vor Ort demonstrieren, weil niemand es wirklich glauben wollte.

1846 wurden er und seine Frau zum Tode verurteilt, drei Monate später jedoch zu „schwerem Kerker begnadigt“. 1847 starb Peter Ritter von Bohr und wurde in seiner Kottingbrunner Gruft beigesetzt. Seine Frau wurde noch im selben Jahr begnadigt.

Sehr spannend, wenn man bedenkt, dass laut Vorbesitzerin unser jetziges Haus das „Herrenhaus“ der angeschlossenen Bleiröhren-Fabrik war, in dem sich angeblich das meiste abgespielt hat.

1860 hat dann der aus Berlin zugezogene August Lange das Anwesen gekauft und dort eine Eisengießerei eingerichtet. Diese hat schließlich der Vater von Franz Josef Grießler übernommen, von dessen Tochter wir wiederum das Haus 2011 gekauft haben – und den wir noch als faszinierenden und sehr liebenswerten alten Mann kennenlernen durften.

Gießerei Schulgasse - verm. späte 1940er-Jahre
Gießerei Schulgasse – vermutlich späte 1940er-Jahre
Schulgasse nach Krieg und russischer Besatzung
Unser Haus nach dem Krieg und nach Ausplünderung durch die russischen Besatzer
Schulgasse nach dem Wiederaufbau
Unser Haus in den 50er-Jahren nach dem Wiederaufbau
Unser Haus heute
Unser Haus heute
Schulgasse Fassade
Unser Haus heute