Was macht Pflanzen frosthart?

Diese Woche hat uns der erste richtige Nachtfrost ereilt, und ich hatte platztechnisch einige Mühe, die bisher draußen verbliebenen empfindlicheren Topfpflanzen in geschützten Räumen unterzubringen. Die neu ausgepflanzten Feigenbäume hab ich mit einer Reisig-Decke geschützt, andere draußen überwinternde Arten einfach locker mit Laub und Erde angehäufelt. Prinzipiell hab ich mir allerdings die Frage gestellt, warum manche Pflanzen auch hartem Frost problemlos trotzen, während andere schon beim Gefrierpunkt unwiderruflich kaputt gehen.

Mein erster Gedanke war, dass dies an den unterschiedlichen Mengen an eingelagertem Zucker liegen müsste. Durch diese sogenannte Gefrierpunkterniedrigung, die man sich ja auch bei der Salzstreuung im Winter zunutze macht, kann der Gefrierpunkt auf etliche Grad unter Null gedrückt werden. Aber die ganze Wahrheit konnte das nicht sein, da ja alle Pflanzen durch Photosynthese Zucker herstellen und auch einlagern und daher bis zu einem gewissen Grad frostresistent sein müssten. Ein Blick auf die Kapuzinerkresse im Winter zeigt, dass für sie schon Temperaturen um die null Grad genügen, um die Zellstrukturen nachhaltig zu zerstören. Was spielt hier also noch mit?

Viele Quellen dazu hab ich im Netz nicht gefunden, allerdings doch ein paar interessante weiterführende Informationen.

Prinzipiell läuft der Stoffwechsel in den Pflanzen umso langsamer ab, je kälter die Umgebungstemperatur ist (RGT-Regel). Dies funktioniert so lange, bis die lebensnotwendigen Enzymfunktionen nicht mehr funktionieren und der Zuckertransport zum Erliegen kommt. Bei sehr wärmeliebenden Pflanzen kann dies durchaus bereits über dem Gefrierpunkt eintreten.

Bei den nicht frostharten Pflanzen ist es auch nicht das Zellwasser, das bei Minusgraden einfriert. Dieses ist tatsächlich durch die Zuckereinlagerungen bis zu einem gewissen Grad geschützt. Es ist vielmehr das Wasser zwischen den Zellen und in den Zellwänden, welches hier zum Problem wird. Diese Wasseranteile gefrieren und zerreißen dadurch die bestehenden Zellstrukturen. Und sogar sehr stabile Zellverbände können so Schaden nehmen: Sie zerreißen halt nicht, sondern trocknen durch das entstehende Eis völlig aus, was wiederum dem niedrigeren Dampfdruck des gefrorenen Wassers geschuldet ist. Also Tod durch Zerreißen oder Vertrocknen – beides unschön.

Frostresistente Pflanzen haben nun in den Zellen eine Art „Geliermittel“ eingelagert. Dieses verhindert, dass beim Einfrieren der Zellwand das Gewebewasser aus den Zellen gesaugt wird. In Verbindung mit organischen Säuren, Salzen und Zuckern werden sie dadurch stark unterkühlungsfähig.

Aber auch die so ausgestatteten Arten kämpfen im Winter mit einem weiteren Problem: Der Trockenheit. Genau sie ist der Grund, warum sich die frostharten, bei uns einheimischen Pflanzen in der kalten Jahreszeit eine strikte Ruhepause gönnen – z.B. durch Laubabwurf, Verholzung und Entwässerung. Friert der Boden ein, so kann daraus durch die Wurzeln kein Wasser mehr entnommen werden. Und wenn nun an sonnigen Wintertagen die Temperaturen ordentlich ins Plus klettern und eine Pflanze ihre Blätter nicht abgeworfen hat, so beginnt der Photosynthese-Prozess und damit auch die Verdunstung von Feuchtigkeit durch die Spaltöffnungen. Es kommt kein Wasser nach, weshalb die Pflanze in diesen Fällen vertrocknet, wobei meist auch die Wasserleitungen in den Stängeln oder Stämmen abreißen. Für unsere einheimischen Pflanzen ist dies das weitaus größere Problem: In Föhnlagen kann es Nadelbäume so hart erwischen, dass ein Krachen in den Stämmen das Reißen der Wasserströme anzeigt. Auch Getreide erfriert in unseren Breiten nicht, sondern es vertrocknet normalerweise.

Prinzipiell ist es spannend, diese Zusammenhänge zu kennen, denke ich. Man kann bei den eigenen Gartenpflanzen dementsprechend reagieren, und versteht dann auch, warum man sich besonders bei wintergrünen Arten die Mühe machen sollte, den Wurzelbereich anzuhäufeln oder abzudecken: Wenn schon Verdunstung an wärmeren Tagen, dann wenigstens mit funktionsfähiger „Wurzel-Wasserpumpe“ (Oleander, Olivenbaum!).

Ein paar ergänzende Informationen hab ich noch hier zusammengetragen:

Ein wichtiger Indikator für die Kältetoleranz einer Pflanze ist die Sprossungstemperatur. Bei einheimischen Pflanzen beginnt das Streckungswachstum des Sprosses schon bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, während es bei tropischen Arten durchaus erst ab 15 Grad Celsius einsetzen kann.

Und auch die Nährstoffversorgung spielt eine bedeutende Rolle: Kalium ist für die Regulierung des Wasserhaushalts in den Zellen essentiell, und so erhöht eine gute Versorgung mit dem Stoff normalerweise die Kältetoleranz der Pflanzen. Aber auch die Düngung unterm Jahr ist wichtig: Überdüngte Pflanzen wachsen zwar schneller, bilden aber dadurch schwächere Strukturen aus, die letztendlich wiederum kälteempfindlicher sind. Mein ungedüngter (damals noch relativ kleiner und damit eigentlich empfindlicher) Rosmarin hat so einen Winter überstanden, in dem drei Wochen lang durchgehend unter minus 10 Grad geherrscht haben.

Sehr spannend also, wenn auch sehr theoretisch. Nächste Woche muss ich dringend die praktische Ader wieder einmal strapazieren. 😀