Jahresausklang am Friedhof der Namenlosen

Letzte Woche haben wir im Rahmen einer Veranstaltung von Christina und Ronald das Jahr am Friedhof der Namenlosen in Wien verabschiedet. Ich hab den Nachmittag trotz Wind und Kälte als sehr inspirierend empfunden und nicht zuletzt auch den Ort selber als beeindruckend und berührend.

Der Friedhof liegt in der Nähe der Alberner Hafens im 11. Wiener Gemeindebezirk. Er dient Menschen als letzte Ruhestätte, die zwischen 1840 und 1940 gestorben sind und von der Donau hier angeschwemmt wurden.

Ein Hinweis vorab: Der Friedhof der Namenlosen befindet sich im Eigentum der Hafen Wien GmbH:
„Das Betreten des Grundstücks erfolgt auf eigene Gefahr. Bitte beachten Sie die Zugangsbeschilderung über den Damm. In Ausnahmefällen kann der Zugang wegen Umschlagsarbeiten gesperrt sein.  Aufnahmen (Film, Foto, Ton) sind nur zu privaten Zwecken gestattet. Für gewerbliche Zwecke benötigen Sie eine Genehmigung durch die Grundeigentümerin“.

Das frühere Gräberfeld lag näher am Ufer der Donau, wo ein Wasserstrudel neben Treibgut immer wieder menschliche Leichen angespült hat, die dort an Ort und Stelle beerdigt wurden. Bei vielen konnte die Identität nicht geklärt werden, weshalb auf den Kreuzen oft die Bezeichnung „Namenlos“ zu lesen war und der Friedhof später auch seinen Namen bekommen hat. Um 1840 hat man dann etwas landeinwärts einen eigenen Friedhof errichtet. Allerdings wurde dieser öfter überschwemmt, weshalb man den „Friedhof der Namenlosen“ Ende des 19. Jahrhunderts auf den jetzigen Platz etwa 60 Meter landeinwärts verlegt hat. Eine Gedenktafel erinnert an die 478 Opfer am alten Ort, die aus Kostengründen nicht exhumiert werden konnten.

Friedhof der Namenlosen

Ein erheblicher Teil der Toten waren mutmaßlich nicht Verunglückte, sondern Selbstmörder, denen ein kirchliches Begräbnis nicht zugestanden wurde.

1935 errichtete man dann eine Kapelle samt steinerner Umfassungsmauer, wo auch heute noch ein Mal im Monat die Hl. Messe gefeiert wird. Die detaillierte Geschichte kann man hier nachlesen: http://friedhof-der-namenlosen.at/?page_id=22.

Das ARD Mittagsmagazin hat dazu vor einiger Zeit auch einen super Kurzbeitrag gebracht:

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Nachdem uns Herr Fuchs, der den Friedhof in dritter Generation betreut, dessen Geschichte nähergebracht hat, haben wir im Freien geräuchert und rituell alles, was wir im nächsten Jahr loswerden möchten, auf kleine Zettel geschrieben und symbolisch verbrannt.

Jeder hat dann am Grab eines Unbekannten eine Kerze angezündet und es mit einigen Blumen geschmückt. In alten Aufzeichnungen konnte man auch nachlesen, was zu der Ruhestätte, die man gewählt hat, noch bekannt ist. Ganz sicher kann man die Zuordnung heute allerdings nicht mehr vornehmen, da im Winter 1919 Holzdiebe den gesamten Friedhof inklusive Kreuze, Inschriften und sogar Särgen geplündert haben. Herbert und ich haben uns laut Aufzeichnungen wirklich Gräber ausgesucht, zu denen es keinerlei Informationen mehr gibt. Von anderen wiederum wurden neben dem Fundort viele Details vermerkt, so z.B. für Grab Nr. 58:

Unbekannte männl. Leiche.
Bekleidung: Die Leiche war mit schwarzem Anzug mit zwei Hosen, eine aus blauem Barchent bekleidet, mit einer grauen und einer schwarzen Weste unter dem Hemd, weißem Zelluloid-Kragen und kleiner schwarzer Binde.
Mascherl. In den Hosensäcken waren vier Sacktücher ohne Marke. Ein Sacktuch war mit L.W. gemerkt. Zugstiefletten mit neuen … und Fußlappen.
Gefundene Gegenstände: 1 kleines Sackmesser, 1 Okuliermesser, zerbrochener Kamm, kleine Bleistifte, Geldbörse mit 3 Kronen, kleine Dokumente …

Nach dem Friedhof sind wir mit kleinen dekorierten „Kerzenfloßen“ zum Ufer der Donau gewandert und haben mit ihnen unsere auf Zetteln vermerkten Wünsche für 2019 am Wasser auf die Reise geschickt. Meines hat sich erst kurz in der Ufervegetation verfangen, bevor eine Strömung es erwischt und mit hoher Geschwindigkeit in die Mitte des Stroms getrieben hat. Es hat nicht lange gedauert, bis es aus meinem Blickfeld verschwunden ist. Wenn das kein gutes Zeichen für’s neue Jahr ist! 🙂

Wobei wir damit bei den Neujahrsvorsätzen wären. Das letzte Jahr war echt höllisch anstrengend, weshalb wir uns für 2019 striktes Weiterbildungs- und Baustellenverbot auferlegt haben. Natürlich nicht für kleinere Kurse und Arbeiten – nur große Brocken wollen wir definitiv nicht anpacken. Und es soll abgespeckt werden, was nur irgendwie abgespeckt werden kann. Sprich: Selbstbeschränkung in allen Bereichen. Nicht mehr Pflanzen heranziehen, als man anschließend mühelos pflegen kann. Nicht mehr Bücher kaufen, als man die Zeit hat zu lesen. Sich nicht mehr Arbeit aufhalsen (lassen), als unter der Woche erledigt werden kann. Und damit endlich auch wieder einmal arbeitsfreie Wochenende genießen – am besten draußen in der Natur.

Minimalismus auf allen Ebenen ist also angesagt. Mal sehen, ob wir das schaffen und dann auch durchhalten. Die Vorzeichen stehen ja ganz gut. 🙂

In diesem Sinne: Ein gutes Neues Jahr an alle – voll Glück, Erfolg und vor allem Gesundheit!