Der phänologische Kalender

Diese Woche hab ich mich ein bisschen mit dem phänologischen Kalender beschäftigt. Dieser orientiert sich nicht an den astronomischen Jahreszeiten, sondern unterteilt das Jahr anhand der jeweiligen Naturerscheinungen in 10 physiologisch-biologisch begründete Abschnitte. Meistens ist es die Blüte von Zeigerpflanzen, die eine neue phänologische Jahreszeit einläutet. Demnach treten wir hier im südlichen Niederösterreich in Kürze in den Vorfrühling ein.

Das Wort Phänologie leitet sich vom altgriechischen φαίνω oder phaíno ab,  was so viel wie „ich erscheine“ bedeutet. Diese Wissenschaft befasst sich mit im Jahresverlauf wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen und gewinnt im Zuge der Klimawandelforschung immer mehr an Bedeutung.

Im sogenannten phänologischen Kalender wird nun das Jahr anhand von charakteristischen biologischen Prozessen in 10 „phänologische Jahreszeiten“ unterteilt. Naturgemäß unterscheidet sich sowohl deren Beginn als auch deren Dauer je nach Gegend oder auch Höhenlage teilweise beträchtlich. Wer hat nicht schon gesagt oder gehört „Bei uns blühen die Forsythien schon, ihr seid mindestens zwei Wochen hinten“? Genau dieser regionalen Unterschiede nimmt sich die Phänologie an.

Aber auch im Verlauf der Jahre wird durch phänologische Beobachtung deutlich, wie sich die Jahreszeiten tendentiell verschieben, was wiederum für die Klimaforschung wichtige Erkenntnisse liefert. Laut ZAMG haben sich Blattentfaltung und Blüte von Frühlingsblühern um bis zu drei Tage pro Jahrzehnt nach vorne verschoben.

Meistens werden zur Definition der phänologischen Jahreszeiten häufige, leicht zu beobachtende Wild- und Kulturpflanzen ausgewählt, deren Blühbeginn dann den Beginn eines neuen Abschnitts abzeigen. In Mitteleuropa erfolgt die Einteilung folgendermaßen:

  • Vorfrühling: Die Natur erwacht mit dem Aufblühen der ersten Kräuter und Holzpflanzen – z.B. Blüte der Hasel.
  • Erstfrühling: Viele Holzpflanzen setzen Blüten und Laub an – z.B. Blüte der Forsythie.
  • Vollfrühling: Die meisten Gehölze stehen in voller Blüte, die Wälder sind frisch belaubt – z.B. Blüte des Apfelbaums. Der Vollfrühling beginnt meistens Ende Februar im südlichen Portugal, wandert dann rund 40 km pro Tag nordwärts und kommt etwa 90 Tage später in Finnland an.
  • Frühsommer: Beginnt mit der Blüte des schwarzen Holunders.
  • Hochsommer: Blüte der Sommerlinde, Reifung der Johannisbeeren.
  • Spätsommer: Frühe Apfelsorten und die Eberesche erreichen die Fruchtreife.
  • Frühherbst: Holunderbeeren und Kornelkirschen reifen heran.
  • Vollherbst: Die Laubverfärbung beginnt. Rosskastanien und Stieleichen zeigen reife Früchte.
  • Spätherbst: Eichen verfärben ihre Blätter, die Eberesche wirft sie bereits ab.
  • Winter: Eichen verlieren ihre Blätter, die heimische Lärche ihre Nadeln. Ende der Vegetationsperiode.

Es werden aber auch andere natürliche Phänomene zur Beobachtung herangezogen – oft auch aus dem Tierreich, wie beispielsweise der erste Reinigungsflug der Bienen.

Ich hab ein bisschen in meinen alten Gartenfotos und -aufzeichnungen gekramt und tatsächlich markante Abweichungen über die Jahre hinweg gefunden.
Unser erster Winter hier war unfassbar streng – wir hatten im Februar drei Wochen lang nie mehr als -10 Grad, in der Nacht sogar regelmäßig unter -15 Grad. Und im übrigen noch keine Zentralheizung und eine Weile keine Klospülung, weil alles eingefroren war. An so etwas erinnert man sich ewig. 😉
Das Jahr darauf war wiederum extrem schneereich, was einem auch in Erinnerung bleibt, wenn man drei Mal täglich mit der Schneefräse ausrücken muss, um die lange Einfahrt befahrbar zu halten. Und nur wenige Jahre danach gab’s einen Winter, der kaum als solcher wahrnehmbar war.
Zwischen diesen Jahren gibt es geschätzte Verschiebungen der phänologischen Jahreszeiten von bis zu 20 Tagen!

Für längere Beobachtungszeiträume werden die Datenreihen geglättet und zeigen so wiederum eindeutige Tendenzen in Richtung Erwärmung. Auf Phenowatch kann man sich diesbezüglich wirklich aussagekräftige Diagramme generieren lassen, und natürlich auch selber bei der Erfassung der Daten mitmachen: http://www.phenowatch.at/no_cache/wissenschaft/auswertungen/diagramme/phaenologie-diagramm.html

Sehr spannend, das Ganze. Wertet man beispielsweise die erste Apfelblüte über die Jahre aus (http://www.phenowatch.at/no_cache/wissenschaft/auswertungen/diagramme/phaenologie-diagramm.html?stat_id=mittel&element_id=65), so sieht man, dass der Zeitpunkt fünfjährig geglättet gegenüber dem Mittelwert der Klimanormalperiode um 15 Tage nach vorne gewandert ist. Wahnsinn! Von der Uni Hamburg hab ich hier noch ein interessantes einschlägiges Dokument gefunden: http://www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/2017/01/chmielewski.pdf

Ich hab mir jedenfalls vorgenommen, in meinem Bullet Journal eine eigene Collection für phänologische Gartenbeobachtung anzulegen. Im Alltag gehen diese Eindrücke sonst komplett unter, wenn man sie nicht bewusst sucht und festhält.

Hier abschließend noch ein paar aktuelle Eindrücke aus dem Garten. Alles sprießt und gedeiht, dass es eine Freude ist – Vorfrühling ist angesagt!

Frühlingsbote

Erste Veilchen

Heckenkirsche