Rohwolle im Garten

Vor einiger Zeit hab ich drei große Säcke Schafrohwolle geschenkt bekommen. Aus den schöneren Partien möchte ich unbedingt versuchen, selber Garn herzustellen – sie also zu waschen, zu kardieren und zu verspinnen. Auszahlen wird sich das naturgemäß nicht, aber es reizt mich einfach, den gesamten Arbeitsablauf einmal nachzuvollziehen.
Und was macht man mit der Bauchwolle und den Partien rund um den Schwanz? Diese Rohwolle ist teilweise so verdreckt, dass sich waschen kaum lohnt. Und zudem sind die Fasern auch nicht wirklich lang und gleichmäßig genug, um versponnen zu werden. Also hab ich recherchiert und bin auf interessante Einsatzmöglichkeiten im Garten gestoßen.

Frisch geschorene Schafvliese werden heutzutage besonders im privaten Bereich vielfach weggeworfen, weil sich die weitere Verwendung kaum lohnt. Zu aufwändig ist der Weg vom Vlies zur Wolle (waschen, kardieren, ev. färben, spinnen) – besonders händisch in kleinen Mengen. Erledigt man die Schur nicht selber, so kostet sie meist mehr, als durch den Verkauf der Wolle – immerhin um die drei Kilo pro Tier – erlöst werden könnte. Auch in der Textilindustrie spielt die Schurwolle trotz hervorragender Materialeigenschaften keine große Rolle mehr.

Industriell hingegen wird Schafwolle nun vermehrt als biologischer Wärmedämmstoff und Schallschutz verwendet, wobei das ohnehin schwer entflammbare Material meist zusätzlich mit Borax flammhemmend imprägniert wird. Neue Studien weisen auch darauf hin, dass das Keratin – eine Eiweißverbindung, aus der die Wolle hauptsächlich besteht – hervorragend Luftschadstoffe absorbiert, beispielsweise Formaldehyd aus belasteten Holzwerkstoffen, Tabakrauch etc. An den Bindungsstellen im Eiweiß docken die Schadstoffe an und werden so langfristig gebunden. Zudem werden mittlerweile aus der unbehandelten Rohwolle auch hochwirksame Düngepellets für den biologischen Gartenbau gepresst. Hochinteressant, was man aus diesem wertvollen und nachhaltigen Rohstoff alles machen kann!

Die Schattenseiten sind laut meiner Recherche, dass dahinter oft auch viel Tierleid steht. Vielerorts werden die Schafe im Akkord geschoren (besonders in den Großbetrieben Australiens und der USA), was oft schwere Verletzungen oder sogar den Tod der Tiere nach sich zieht (http://www.peta.de/fakten). Ein Grund mehr, sich die Arbeit anzutun und die geschenkte Wolle nachhaltig zu verarbeiten, deren Produzenten sicherlich niemals auch nur ein Haar gekrümmt (nur geschoren) wurde. 🙂

So hab ich die Wolle also einmal vorsortiert und die schönen Teile beiseite gelegt. Um diese werde ich mich in den nächsten Wochen kümmern, sobald ein bisschen Zeit dafür bleibt (Lanolin gewinnen, Garn herstellen). Angesichts der recherchierten Eigenschaften und Verwendungsarten hab ich mich dann dazu entschlossen, die verschmutzen und verklebten Wollpartien als Dünger und Mulch im Garten zu verwerten.

Schafrohwolle

Es schaut zwar etwas gewöhnungsbedürftig aus, wenn die Pflanzen rund um den Stamm in einen „Wollpullover“ gekleidet sind, macht aber absolut Sinn:

  • Die ungewaschene Schafwolle enthält rund 12% Stickstoff, Phosphor, Kalium und Schwefel, und wirkt so als guter Langzeitdünger, während die Fasern langsam natürlich abgebaut werden.
  • Die Wolle ist ein guter Wasserspeicher (rund 3,5 Mal das eigene Gewicht) und gibt die Feuchtigkeit bei Bedarf an die Pflanzen ab.
  • Sie hält Schnecken von den Pflanzen ab!
  • Die Wollfasern lockern den Boden und aktivieren die Bodenfauna.
  • Durch einen PH-Wert von fast 9,0 verhindert die Wolle ein Versauern der Böden.
  • Als Mulch verwendet hält sie Beikräuter im Zaum und verhindert zudem ein Austrocknen des Bodens. Die benötigte Menge Gießwasser wird drastisch verringert. Zudem wird die Erde auch bei heftigem Regen nicht abgeschwemmt und verdichtet, und empfindliche Pflanzen wie Tomaten bekommen beim Gießen kein Spritzwasser ab.
  • Im Gegensatz zu anderen tierischen Düngemitteln enthält die Wolle keine Arzneimittelrückstände o.ä., da es sich nicht um ein Ausscheidungsprodukt handelt.
  • Als Naturprodukt ist Schafrohwolle 100% biologisch abbaubar.

Also WIN – WIN – WIN 🙂

Einziger Nachteil: Es riecht halt ein bisschen streng nach Schaf. Aber wenn man die Kindheit in Großtantes Stall, auf Nachbars Kuhwiese und Misthaufen verbracht hat, dann weckt das eher positive Erinnerungen.
Und aufgrund des hohen PH-Werts sollte man natürlich Moorbeetpflanzen nicht damit mulchen oder düngen.

In den ersten wirklich heißen Tagen dieser Woche hat sich die Schafwoll-Mulchschicht schon super bewährt. Ich musste nur wenig gießen, und die Pflanzen waren auch nach einem ganzen Tag bei fast 30 Grad und schneidigem Wind immer noch knackig frisch. Ich bin voll begeistert!

Mehr zum Thema Wollverwertung folgt in den nächsten Wochen, sobald ich einmal einen Tag dafür freischaufeln kann.