Gartenfreuden im Winter

Die Natur ist schon eine Wucht. Kaum ist es einmal zwei Tage sonnig und etwas wärmer, schieben die Pflanzen im Garten sogar mitten im Winter mächtig an. An private Projekte war vor lauter Arbeit diese Woche sowieso nicht zu denken. Aber der tägliche Rundgang im Garten ist wirklich eine Wohltat, heilt das gestresste Gemüt und hat diese Woche eine erstaunliche Vielfalt für diese Jahreszeit geboten.

Wie schon vor zwei Jahren blüht die Heckenkirsche mit einem intensiven Duft und lockt damit schon jetzt Dutzende Bienen an, die sich fleissig an den weißen Blüten laben.
Wie ich erst kürzlich recherchiert habe, wären diese sogar genießbar (aromatischer Zucker, Blütenessig etc.), während die Beeren der Heckenkirsche je nach Standort ungenießbar bis leicht giftig sind. Blüten und Blätter wurden früher als schweißtreibender Tee bei Erkältungskrankheiten und Mandelentzündungen eingesetzt. Neue Studien weisen sogar auf eine ausgezeichnete Wirkung bei Dickdarmentzündungen hin. Wertvolles Gut also, das ich dieses Jahr aber zu 100 Prozent den Insekten überlassen werde.

Blühende Heckenkirsche

Neben den kleinen Krokussen, die über die Wiese verteilt ihre Blütenköpfe aus dem kargen Boden schieben, zeigen sich auch schon Schneeglöckchen und Schneerosen.

Krokus

Krokusse sind – wie auch der berühmte Safran-Lieferant „Crocus sativus“ – prinzipiell giftige Pflanzen. Interessanterweise enthält auch der Safran selber in den Narbenfäden die giftigen Inhaltsstoffe Pricrocrocin und Safranal (Abbauprodukt), was ich bisher nicht wusste. Bis zu einer Dosis von einem Gramm treten keine Vergiftungserscheinungen auf. Tatsächlich sind aber bei hohen Dosen ab etwa fünf Gramm sogar Todesfälle dokumentiert – das heute so teure Gewürz wurde früher angeblich als Abtreibungsmittel eingesetzt! Bei einer Überdosis kommt es zu Herzklopfen, Schwindel, Wahnvorstellungen, Erbrechen bis hin zu Lähmungen des Zentralnervensystems. Paracelsus hatte schon Recht: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.“
Aber für die Verwendung als Küchengewürz kann man definitiv Entwarnung geben. Für ein Gramm Safran müssen ca. 120 Blüten zu je drei Narbenfäden beerntet werden! Niemand packt über 300 Safranfäden in eine Portion Paella. 🙂

Schneeglöckchen

Schneerose

Und sogar Wildkräuter kann man schon wieder ernten: Neben Löwenzahn und Gänseblümchen stehen ganze Polster an saftiger Vogelmiere und Gundermann zur Verfügung. Die Blüten lass ich den Insekten, aber das eine oder andere Blatt wandert bereits wieder in den täglichen Salat.

Die ersten Gänseblümchen

Sternmiere

Die Vogelmiere (Stellaria media, auch Hühnerdarm genannt) ist übrigens eine wirklich dankbare Pflanze. Sie steht fast das ganze Jahr über zur Verfügung und wächst interessanterweise bei uns im Winter besser als im heißen und trockenen Sommer. Die Miere ist extrem reich an Mineralien und Vitaminen und darin beispielsweise dem Kopfsalat um den Faktor zwei bis acht deutlich überlegen (Kalzium, Kalium, Magnesium, Eisen, Selen, Vitamine A, B, C)! Ihre entzündungshemmende, schmerzlindernde und verdauungsfördernde Wirkung stärkt den ganzen Organismus. Feine Sache – wir haben schon zwei Mal Mieren-Apfel-Smoothies genossen, und kommende Woche wird ein Mieren-Spinat auf den Tisch kommen. Man kann alle Teil der Pflanze verwenden, sollte aber darauf achten, alles gut zu zerkleinern: Die Stiele haben innen einen zähen Faden, der unzerkleinert beim Kauen stört. Er hat der Pflanze auch den Namen „Hühnerdarm“ eingebracht. 🙂

Ich finde es genial, dass die Kräutersaison quasi schon wieder in den Startlöchern steht. Über den Winter merke ich doch deutlich, dass es mich zunehmend unrund macht, je länger ich nicht im Garten herumwühlen, ernten, einkochen und verwerten kann. Es muss mehr davon in mein Leben … und entgegen jede Vernunft hab ich mich dieses Jahr für eine Ausbildung zur zertifizierten Kräuterpädagogin angemeldet.

Wie ich das neben meiner Firma, dem großen Haus, den Tieren und dem Garten deichseln soll, weiß ich jetzt noch nicht. Aber ich bin mir sicher, dass ich es irgendwie schaffe – einfach weil ich für das Thema wirklich brenne.
Spätestens ab Ende 50 werde ich mich vermutlich nicht mehr so gut als grauer IT-Panther und Computerfreak machen. Und – ehrlich gesagt – wird es jetzt schon immer aufreibender, mit dem Wahnsinnstempo in der Technologieentwicklung mitzuhalten und ständig auf dem letzten Stand zu bleiben. Ein geruhsames, naturverbundenes und genügsames  „Kräuterweiberl“-Dasein erscheint mir im Alter dagegen gar nicht so unattraktiv.  😉